Bei der Bundestagung der SozialarbeiterInnen hielt Marianne Gronemeyer einen genialen Vortrag, in dem sie sich mit der Rolle der sozialen Arbeit beschäftigte.
Zu Beginn erzählte sie ein Beispiel aus einem Kaufhaus, in das sie kurz vor Ladenschluss kam. Sie wollte Maronitörtchen kaufen, die mit einem Betrag von CHF 4,50 angeschrieben waren. Doch die Verkäuferin blickte auf ihre Uhr und kippte die Maronitörtchen in den Mülleimer. Innerhalb von Sekunden wurde aus hochpreisigen Mehlspeisen ekelhafter Gatsch. Wie kam es zu diesem plötzlichen Wertverfall? Ihre Dienstzeit war vorbei und egal, wie sie selbst dazu stehen mag, ist es ihre Aufgabe, die übrig gebliebenen Produkte zu entsorgen.
Integration und Inklusion sind aktuell wichtige Schlagworte. Doch geht es nicht nur darum, möglichst viele Menschen wohin zu bringen, anstatt ihnen zuzuhören und mit ihnen gemeinsam etwas zu entwickeln?
Ist die Ökonomisierung bereits so weit fortgeschritten, dass nicht mehr die Bedürfnisse der Menschen, sondern die der Wirtschaft im Vordergrund stehen? Wird nach Anweisungen gehandelt, ohne sich auf persönliche Begegnungen einzulassen?
Die ursprüngliche Bedeutung des Wortes professionell (= bekennend) lässt Raum für Überlegungen. Wozu bekennen wir uns? Erhalten wir das System? Wer sind die Profiteure? Unsere KlientInnen ja wohl nicht immer!
Eine Gegenüberstellung von Akkusativ (akkusare = beschuldigen) und Dativ (dare = geben) lieferte eine überzeugende Idee zu mehr Individualität.
Es macht natürlich einen Unterschied, ob ich sage „Ich berate DICH, wie du besser zurecht kommen kannst“ oder „Ich höre DIR zu, welche Pläne du hast“.
Wir brauchen Begegnungen, die auf Augenhöhe stattfinden, in denen sich Menschen gesehen und angenommen fühlen, ohne sich in ganz besonderer Weise verhalten zu müssen.
Es ist ein Aufruf zur Besinnung auf Werte sozialer Arbeit unabhängig von den finanziellen Mitteln. Wo bleibt die Verantwortung der Gesellschaft für menschliche Notlagen, wenn es für jedes Thema eine Beratungs- und/oder Betreuungsstelle gibt?
In meiner eigenen Tätigkeit merke ich immer wieder, wie viele Menschen intensiv daran arbeiten, dass „die Gesellschaft“ von auffälligen, nicht in die Norm passenden, Menschen geschützt wird und möglichst keinerlei Kontakt mit ihnen haben muss.