Säuglinge zeigen Emotionen sehr unvermittelt und ihr Schreien soll die Bezugsperson dazu auffordern, die Bedürfnisse rasch zu stillen. Im Alter von sechs Wochen erfolgt Lächeln als Zeichen der Zufriedenheit und als positive Rückmeldung an die Bezugsperson. Als primäre Emotionen werden Freude, Wut, Angst, Ekel, Kummer, Überraschung und Verachtung bezeichnet. Diese sind bereits von Geburt an vorhanden und können bei Beobachtung des Gesichtsausdrucks gut erkannt werden. Säuglinge benötigen jedoch die Begleitung von Bezugspersonen, da sie sich selbst noch nicht regulieren oder beruhigen können. Ab dem zweiten Lebensjahr entwickeln sich die sekundären Emotionen aufbauend auf den primären Emotionen. Da für diese jedoch bereits kognitive Fähigkeiten erforderlich sind, können sie erst ab einem Alter von 18 Monaten beobachtet werden. Neid, Stolz, Verlegenheit und Mitgefühl sind selbstbezogene Emotionen und können erst nach der Entwicklung des Ich-Bewusstseins empfunden werden. Kinder wählen unterschiedliche Bezugspersonen für ihre Entwicklungsaufgaben. Während der Kontakt zur Mutter Sicherheit vermittelt, wird der Vater für die Exploration herangezogen, weitere Bezugspersonen sorgen dann für Sozialangebote (Haug-Schnabel & Bensel, 2005).
Ausdrucks- und Körperreaktionen sind zum Teil reflexhaft (z. B. lächeln) und noch nicht dem Anlass und dem situativen Kontext angepasst. Beim Neugeborenen sind Vorläuferemotionen beobachtbar (Izard, 1978, zit. in Holodynski, 2006).
Bei Neugeborenen kann „endogen bewirktes“ Wohlbehagen und Lächeln während des REM-Schlafs beobachtet werden. Dieses ist jedoch noch funktionslos und nicht mit Motivationszuständen assoziiert. Allerdings können Neugeborene bereits mimische Bewegungen der Bezugspersonen nachahmen (z. B. Grimassen schneiden, Zunge herausstrecken), auch wenn sie noch keine Verbindung zu Emotionen herstellen. In einer Studie zur intuitiven elterlichen Didaktik (Papousek und Papousek 1987, zit. in Holodynski, 2006) konnte festgestellt werden, dass Eltern wichtige Signale ihrer Kinder kompetent wahrnahmen und facettenreich und angemessen darauf reagierten, obwohl sie ihr Verhalten bei späterer Befragung nicht benennen konnten (Holodynski, 2006).
Wenn ein Baby Schmerz, z. B. bei einer Blutabnahme den Stich spürt, zeigt es starke Reaktionen wie versteifen und verkrampfen sowie grimassieren und schreien. Es läuft ein Notprogramm ab, weil das Baby seinen Schmerzen und seinem Unlusterleben ausgesetzt ist. Findet es in dieser Situation in den Armen der Mutter Trost und Halt, löst sich der Stress wieder auf und die Erregungswelle nimmt ab, das Baby schläft vielleicht sogar ein (Harms, 2018).
Petzold beschreibt die Entwicklung von der Konfluenz über den wachen Kontakt, die Vertiefung zur Beziehung und schließlich zur Beziehungs- und Bindungsfähigkeit. Ziel ist die volle Intersubjektivität, die auch in der Integrativen Therapie neukonstelliert werden kann, um zu einer korrigierenden zwischenmenschlichen Erfahrung zu führen (Petzold, 1993).
Ein Kind braucht zumindest eine Bezugsperson, die es versorgt. Wie sich dann die Bindung entwickelt, hängt von der emotionalen Bereitschaft und der Empathie der Erwachsenen ab. Die Qualität zeigt sich bei Belastungen in der Reaktion des Kindes abhängig vom Vertrauen in die Zuverlässigkeit und Beruhigungsfähigkeit der Bezugsperson (Haug-Schnabel & Bensel, 2005).
Physiologisch gesehen läuft die Einschätzung und Bewertung einer Situation in sicher oder gefährlich unwillkürlich ab. Das autonome Nervensystem ist für vieles, das ohne unsere bewusste Steuerung abläuft, zuständig (z. B. Atmung, Herzschlag, Verdauung, Wärmeregulation). Solange sich ein Baby geborgen fühlt, wird es zufrieden in den Armen der Bezugsperson liegen. Wenn jedoch die Bezugsperson hektisch ist oder für das Baby abwesend wirkt, wird der für Alarm zuständige Teil des autonomen Nervensystems, der Sympathikus, aktiviert. Erwachsene reagieren in solchen Fällen mit einer Kampf- oder Fluchtreaktion. Diese beiden Möglichkeiten fehlen einem Baby und es macht meist durch Schreien auf sich aufmerksam. Sobald die Bezugsperson die Ursache der Unzufriedenheit beseitigt, beruhigt sich das Baby wieder (Harms, 2018).
Im ersten Lebensjahr stehen seitens des Kindes Ausdruckszeichen im Vordergrund, da die verbale Mitteilung noch nicht möglich ist. Die interpersonale Regulationsform bezeichnet die Aufteilung auf zwei Personen, also die Bezugsperson und das Kind. Im Verlauf der Entwicklung lernt das Kind die Selbstregulation und wird zunehmend unabhängiger von der Ko-Regulation (Holodynski, 2006).
1.-2. Lebensjahr
Kinder erleben Emotionen als Ereignisse, die sich ihrer willentlichen Kontrolle entziehen. Sie werden von der Emotion und dem Ausdruck erfasst, sowohl bei positiven als auch negativen Emotionen. Auch wenn Erwachsene Emotionen sehr intensiv erleben können, sind sie doch nicht mehr so davon eingenommen. Für ein Kind ist es wichtig, dass Bezugspersonen eingreifen, wenn es zu starke negative Emotionen erlebt.
Durch Spiegelung und Angebote von Handlungsmöglichkeiten durch die Bezugsperson erlebt das Kind Möglichkeiten für den Umgang mit Emotionen. In dieser Phase ersetzen und ergänzen die Bezugspersonen die beim Kind noch fehlenden Anteile. Es braucht die Deutung der kindlichen Ausdrucks- und Körperreaktionen und daran anschließend prägnante Ausdruckszeichen mit Bewältigungshandlungen (interpersonale Regulation). Das Kleinkind ist noch nicht in der Lage, motivdienliche Handlungen selbstständig auszuführen und braucht dafür die Bezugsperson, um es zu leiten. Dadurch eignet sich das Kind ein Repertoire an Bewältigungshandlungen an. Die Ko-Regulation durch die Bezugsperson ist wichtig, damit das Kind lernt, motivdienliche Handlungen selbst umzusetzen (Holodynski, 2006).
Social referencing findet bereits früh statt. Babys und Kleinkinder achten sehr darauf, wie ihre Bezugsperson reagiert. Ausdruckszeichen in der sozialen Bezugnahme sind besonders wichtig. Wenn z. B. ein zehn Monate alter Säugling von einer anderen Person das Fläschchen bekommen soll, nimmt er Blickkontakt zur primären Bezugsperson auf und holt sich die Erlaubnis. Lächelt sie, nimmt er es gerne an. Schaut sie ängstlich, lehnt er es ab.
3.-6. Lebensjahr
Das Kind gelangt Schritt für Schritt von der Unterstützung der Bezugsperson zu eigenen Regulationen. Gleichzeitig entstehen auch bewertende Emotionen wie Stolz, Scham, Schuld. Es kann Emotionen bereits willkürlich beeinflussen, z. B. Bedürfnisbefriedigung aufschieben.
Theory of mind: Erst in der späteren Entwicklung ist es möglich zu erkennen, dass eine andere Person einen unterschiedlichen Wissensstand hat. Beispiel: In einer Puppenküche wird vorgespielt, dass die Mutter mit Maxi nach Hause kommt und er die Schokolade, die er später essen möchte, in den grünen Schrank legt. Dann geht er in den Garten und spielt draußen. Die Mutter kocht und nimmt die Schokolade aus dem Schrank, um einen Teil davon zu verwenden. Danach legt sie den Rest in den blauen Schrank. Als Maxi zurück kommt, werden die Kinder gefragt, welchen Schrank er nun öffnet. Jüngere Kinder meinen, dass Maxi denselben Wissensstand hat wie sie und antworten, dass er den blauen Schrank öffnet. Ältere Kinder erkennen bereits, dass sie einen anderen Wissensstand haben als Maxi, der ja draußen war und antworten, dass er den grünen Schrank öffnet in der Meinung, dass die Schokolade dort liegt, wo er sie hingegeben hat.