Eine Stunde Beratung umfasst üblicherweise 50min und da braucht es eine gute Struktur, um sowohl die Themenfindung als auch die gute Bearbeitung zu schaffen. Wenn am Beginn die offene Einladung „Erzählen Sie einmal“ ausgesprochen wird, ist es (fast) unmöglich, später den Zeitraffer einzuschalten und auch noch eine Perspektive zu entwickeln.
Unterbrechung als hilfreiche Intervention
Besonders Berufseinsteiger_innen haben Hemmungen, einen Redefluss zu unterbrechen bzw das Gespräch gezielt zu lenken. Das ist ein immer wieder beliebtes Thema in der Supervision 🙂
Ich erinnere mich noch gut an meine ersten Stunden, die – mit Ankündigung – oft weit über die vereinbarte Zeit hinaus gedauert haben. Denn mir war (und ist) es wichtig, einen guten Abschluss zu schaffen. Mittlerweile habe ich ein gutes Zeitgefühl und bekomme die Rückmeldung von meinen Kund_inn_en, dass es sehr hilfreich für sie ist, die Struktur vorgegeben zu bekommen. Mir half dabei auch sehr die Haltung von Steve de Shazer und Insoo Kim Berg, nicht länger mit der Erörterung des Problems als mit der Lösungsfindung zu verbringen.
Und nicht zu vergessen, dass einige, oft schambesetzte Themen bewusst erst in der letzten Minute angesprochen werden, um sie zumindest einmal gesagt zu haben. Da wäre es meiner Meinung nach ein Fehler, die Stunde zu verlängern.
Meine Kund_inn_en dürfen sich darauf verlassen, dass ich den Zeitrahmen auf jeden Fall einhalte und das zuletzt angesprochene Thema aufschreibe und bei Bedarf in einer der nächsten Stunden gerne darauf zurück komme.
Es braucht den Mut, zu viele Erklärungen abzubrechen und den Blick wieder auf das eigentliche Thema zu lenken. Denn was die Kund_inn_en erzählen, haben Sie schon oft wiederholt. Sie kommen ja, um etwas Anderes zu erleben und zu entdecken. Daher darf ich (Erzähl-)Muster unterbrechen und neue Wege aufzeigen.
Die Verantwortung für die Strukturierung und Prozessbegleitung liegt eindeutig in meiner Verantwortung. Meine Kund_inn_en sollen sich voll und ganz einlassen und darauf vertrauen dürfen, dass die Stunde zu einem Abschluss kommt, der die Zeit bis zum nächsten Termin gut verlaufen lässt.
Die gute Vorbereitung
Was also tun, ohne unfreundlich zu wirken? Hier liegt die Lösung in einer guten Vorbereitung und Priorisierung der Themen. Wenn also jemand das erste Mal einen Termin hat, ist es gut, bereits im telefonischen Vorgespräch kurz die Themen zu erfassen und auch die bisherigen Lösungsversuche. Gleichzeitig wird auf die Zeit bis zum ersten Termin fokussiert und die Erwartung geweckt, dass sich bis dahin bereits einiges verändern wird. Mehr dazu gibt es im Buch „Beratung und Therapie optimal vorbereiten“ von Manfred Prior.
Signale zur Zeitorientierung
Zu Beginn der Beratung ist es wichtig, die Rahmenbedingungen gemeinsam zu besprechen und abzugleichen. Ich verwende in meiner Praxis einen Wecker, der 3min vor Ende der Stunde läutet und somit das Signal setzt, dass wir nun zum Abschluss kommen. In den letzten Minuten bis zum nächsten Signal – ja, 3min sind ganz schön lang – ist es gut möglich, die Stunde zusammenzufassen, gegebenenfalls eine „Hausaufgabe“ zu besprechen und den nächsten Termin zu vereinbaren.